Zwar hat der Club kein Geld für Neu­ver­pflich­tungen aus­ge­geben, aber mit Tomasz Wel­nicki (VfL Bochum U 19), Angelos Cha­ris­teas (Bayer Lever­kusen), Jonatan Kotzke (Nürn­berg II), Güngör Kaya (VfL Bochum U 19), Thomas Broich (1.FC Köln), Håvard Nord­tveit (Reserve FC Arsenal) und nun eben noch Eric Maxim Choupo-Moting (Ham­burger SV) neue Gesichter im Team – auch wenn man Rück­kehrer Cha­ris­teas hier nur bedingt ein­sor­tieren mag.

Auch Abgänge waren zu ver­zeichnen, so ver­ließen José Gon­çalves, Stefan Rein­artz, Mario Breska, Alek­sandar Mit­reski und Dominik Rein­hardt den Verein. Eigent­lich zu viel trans­fe­rie­rende Bewe­gung, als dass man Martin Bader nun gerade Untä­tig­keit am Trans­fer­markt vor­werfen könnte. Dass auf der Soll-Seite mal weniger Geld als auf der Haben-Seite steht, ist auch nichts Unge­wöhn­li­ches für den tra­di­tio­nell klammen Club. Den kol­por­tierten 300.000 Euro Ein­nahmen aus Trans­fer­summen und Leih­ge­bühren stehen der­zeit 150.000 Euro plus X an Aus­gaben gegen­über. Das »X« steht dabei für Choupo-Moting, wobei Martin Bader hier von einer »kleinen Leih­ge­bühr« spricht, unter dem Strich also eine Null in der Trans­fer­bi­lanz stehen könnte. Nur zum Ver­gleich: Andere Ver­eine haben hier sogar dicke Erlöse stehen, wie Werder Bremen (17 Mil­lionen), Hertha BSC Berlin (5 Mio.) oder der VfB Stutt­gart (12 Mio.). Andere, gemeinhin als Abstiegs­kan­di­daten gehan­delte Ver­eine, pen­deln alle­samt bei 1–2 Mil­lionen an Trans­fer­aus­gaben im Ver­hältnis zu den Ein­nahmen.

Kurzum, eigent­lich der Auf­re­gung nicht wert und dem Vor­wurf man könne doch nicht die Hände in den Schoß legen, kon­tert Martin Bader auf Anfrage der »Welt«: »Im Winter haben wir uns bereits mit fünf Zugängen auf die Erste Liga vor­be­reitet. Nach dem Abstieg vor einem Jahr haben wir 14 Spieler aus­ge­tauscht. Es hat sich also einiges getan bei uns in den ver­gan­genen zwölf Monaten. Darum mussten wir in diesem Sommer nicht in Aktio­nismus ver­fallen.« »Vor­ge­zo­gene Trans­fers« nannte sich das damals, »um den Betriebs­un­fall Abstieg zu kor­ri­gieren« – was nach­weis­lich ja auch gelingen konnte. Und wenn man Bader also eines nicht vor­werfen kann, dann dass er es damals mit dem »vor­ziehen« eben Ernst meinte und inso­weit glaub­haft bleibt.

Kein Null­sum­men­spiel

Die Ver­ant­wort­li­chen ver­trauen also dem Kader. Man hat nur Spieler aus­sor­tiert, die mensch­lich oder sport­lich nicht ins Team passen, und gleich­zeitig Spieler inte­griert (zum Bei­spiel: Nord­tveit, Choupo-Moting), um den ein­ge­schla­genen Weg fort­zu­setzen. »Nürn­berg ist jung und deutsch geworden«, gibt Bader dies­be­züg­lich zu Pro­to­koll, »diesen Weg wollen wir kon­se­quent wei­ter­ver­folgen.«

Die sum­ma­ri­sche Null­runde am Trans­fer­markt ist dabei kein »Null­sum­men­spiel«. Beim Null­sum­men­spiel deckt sich Gewinn und Ver­lust der Betei­ligten. Was der Club hier nun anders macht, ist der Ver­such diesem Null­sum­men­spiel aus »Spieler mit Wert x für Summe x kaufen« aus­zu­bre­chen, auch weil er sich das für die ange­strebte Qua­lität im Kader gar nicht leisten könnte. Der Club braucht hohe Qua­lität im Kader ohne sie bezahlen zu können und da bleibt – auch wenn das vielen nicht gefallen mag – in der Regel nur eine Aus­leihe. Und wenn man selbst eine Leihe nicht adäquat in Geld bezahlen kann oder will, muss man wie­derum ein Angebot machen können, das für alle Par­teien reiz­voll ist – und da han­delt der Club aktuell mit einer »Aus­sicht auf Spiel­praxis« Der Unmut der Kri­tiker, man leihe sich Spieler wie Nord­tveit, Risse, Rein­artz oder Choupo-Moting nur aus, ohne die so genannte Kauf­op­tion mit in den Ver­trag zu schreiben, kann man ver­stehen, er ist aber min­des­tens zum Teil unbe­rech­tigt. Natür­lich besteht das »Risiko«, dass der Spieler beim Club auf­blüht und dann wieder zu seinem alten Verein zurück­kehrt, aber genau hier ist eben der Auf­bruch des Null­sum­men­spiels fest­zu­ma­chen.

Der Club ver­sucht eine »Win-Win-Situa­tion« her­zu­stellen, also einen Zustand, bei dem sich Gewinn und Ver­lust eben nicht decken, son­dern auf allen Seiten ein Gewinn ent­steht. Wie das gehen soll? Eben mit Aus­leihe. Der Club leiht sich Qua­lität, die aber Spiel­praxis braucht. Er bekommt für wenig Geld einen Spieler, den er sich wahr­schein­lich gar nicht leisten könnte (und der viel­leicht nicht mal fest kommen wollte). Dieser Spieler kann dem Club helfen seine Ziele zu errei­chen. Dass der abge­bende Klub das mit­macht, liegt im Umstand begründet, dass er sich erhofft, sein Spieler bekommt Spiel­praxis und damit eine Qua­li­täts­ver­bes­se­rung. Der dritte Gewinner kann dann noch der Spieler selbst sein, wenn er end­lich den Durch­bruch schafft, der ihm sonst nicht gelingen würde. Nun mag man treff­lich streiten, ob das gesamte Prinzip des Trans­fer­markts, mit »lang­fris­tigen Ver­trägen und über­füllten Kadern der Top-Clubs« nicht gene­rell frag­lich ist, aber aktuell ist das für einen Verein wie dem Club eine Chance. Viel­leicht nicht die ein­zige Chance, aber min­des­tens ein pro­bater Weg, den andere der­zeit nicht mit ähn­li­cher Kon­se­quenz gehen. Damit kann in einer so harten Kon­kur­renz­si­tua­tion wie der Bun­des­liga viel­leicht ein inno­va­tives Erfolgs­mo­dell ent­stehen.

»Die Mann­schaft hat Ideen«

Läuft da der Club nicht Gefahr im Jugend­wahn unter­zu­gehen?
Eher nein, allein des­halb, weil es schon gar nicht der Rea­lität ent­spricht. Der Club ist mit einem Durch­schnitts­alter von 24,6 Jahren lange nicht der Jugend­club der Liga (das ist Hof­fen­heim mit 23,1) und befindet sich in bester Gesell­schaft mit acht anderen Ver­einen mit 24,x. Die Säulen des Teams sind gestan­dene Bun­des­liga-Spieler – nament­lich Tor­wart Schäfer, Wolf, Pinola, Kluge, Mnari, Mintal, Cha­ris­teas und auch Eigler, Boakye und Gygax – ergänzt von Spie­lern, die in der 2. Bun­des­liga bereits ihr Poten­zial unter Wett­kampf­be­din­gungen bewiesen haben (Maroh, Diek­meier oder Frantz). Wenn dann ein Nord­tveit einem Mnari ernst­hafte Kon­kur­renz machen kann, dann ist das doch eigent­lich nur Beweis dessen, dass die Qua­lität stimmt, schließ­lich haben die genannten Arri­vierten vor gar nicht allzu langer Zeit mit dem FCN die Liga durch­ein­an­der­ge­wir­belt und den Pokal nach Nürn­berg geholt.

Viel­leicht irri­tiert es man­chen Beob­achter des FCN ein­fach, dass man das, was man sagte, auch so meinte – bei­spiels­weise wenn man vom »Vor­ziehen von Trans­fers« sprach, von »Ver­trauen in die Mann­schaft« und von »wir wissen, dass es gegen den Abstieg geht«. Eine gute Sache, eigent­lich Dazu passt ein Zitat von Trainer Michael Oen­ning: »Ich glaube, die Leute wollen erkennen, dass die Mann­schaft eine Idee hat und ver­sucht, diese umzu­setzen. Wenn es dann am Ende nur 1:1 steht, ist es immer noch ein Erfolg. Es geht auch darum, ein biss­chen Demut auf­zu­bringen. Bun­des­liga zu spielen, ist schwer, drin bleiben noch viel schwerer. Da braucht man einen langen Atem. Es gilt jetzt, nicht nach zwei, drei Spielen wieder in alte Ver­hal­tens­muster zurück­zu­fallen und alles in Frage zu stellen. Wir haben den Vor­teil, dass wir nicht mehr jedes Spiel gewinnen müssen.«

Jede Medaille hat jedoch zwei Seiten: Natür­lich wird auch der Club 2009/10 Erfolge in Form von Punkten brau­chen, allein um den Druck von Außen fern zu halten. Unent­schieden oder gar Nie­der­lagen als Erfolge zu ver­kaufen wird auf Dauer schwer sein, schließ­lich schme­cken Siege immer besser als Nie­der­lagen. Per­spek­ti­visch gesehen ist der ein­ge­schla­gene Weg aber eigent­lich doch genau das, was man als Fan immer wollte. Es ist ein Weg der – um dieses moderne Wort auch mal zu benutzen – Nach­hal­tig­keit. Ein Weg, der sich auch nicht auf ein­zelne Spieler beschränkt, son­dern ein Kon­zept ver­folgt, eine Idee. So ist auch die Aus­sage Baders zu ver­stehen, sollte Choupo-Moting am Sai­son­ende schon wieder gehen: »Dann suchen wir eben einen anderen.«

Es bleibt ein­fach nur zu hoffen, dass das Kon­zept bald Früchte trägt, damit man auch im Umfeld daran glaubt. Fast schon biblisch würde man zwar hoffen »Selig, die nicht sehen und doch glauben«, doch leider sind die Fans und Umfeld meist wenig bibel­fest was Fuß­ball angeht, und daher ist zu befürchten, dass irgend­wann die Mecha­nismen der Branche auch vor dem »neuen« Club nicht halt machen, wenn die Punkte fehlen

Dann aller­dings, so viel ist sicher, wäre mehr ver­loren als nur ein Jahr. 

Alex­ander Endl betreibt den Blog, dem Michaek Oen­ning ver­traut: www​.club​fans​-united​.de

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